Von der sozialräumlichen Intervention zur Postwachstumsgesellschaft?

Ökonomie im Quartier - Von der sozialräumlichen Intervention zur Postwachstumsgesellschaft?

Jahrestagung des AK Quartiersforschung in Kooperation mit dem Transzent

Der AK Quartiersforschung und das TransZent laden am 02./03.06. zur Tagung "Ökonomie im Quartier – Von der sozialräumlichen Intervention zur Postwachstumsgesellschaft?", ein. Die Tagung verfolgt das Ziel, den Zusammenhang unterschiedlicher Ansätze lokaler Ökonomien und ihre Auswirkungen auf Quartiere und deren BewohnerInnen sowie Potenziale zur Entwicklung von Quartieren in Verbindung von theoretischen Modellen und praktischen Konzepten darzustellen.

Das Programm zur Tagung finden Sie hier. Zur Seite des AK Quartiersforschung gelangen Sie hier.

Am 02.06. wird eine Stadtführung in drei unterschiedliche Quartiere Wuppertals die Tagung eröffnen. Im Rahmen des Forschungsprojektes "Wohlstands-Transformation Wuppertal" haben sich in diesen Quartieren enge Kooperationen zwischen Wissenschaft und Praxis im Modus des "Reallabors" entwickelt. TeilnehmerInnen werden gebeten bei der Anmeldung eine Quartier anzugeben, das sie besichtigen möchten:

1. Reallabor Arrenberg – Essbarer Arrenberg

Quartiersführung mit Janina Westerkowski

Der Stadtteil Arrenberg galt lange als unattraktives Quartier und befand sich in einer wirtschaftlichen wie baulichen Abwärtsspirale. In den Jahren 2006 bis 2011 wurden im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms „Stadtumbau West“ Maßnahmen zur Aufwertung umgesetzt. Städtebaulich handelt es sich um ein recht dicht und vorwiegend mit Blockrandbebauung bebautes Stadtquartier, welches einen hohen Anteil an Häusern aus der Gründerzeit aufweist. Im Arrenberg leben Menschen unterschiedlichster Nationen – über die Hälfte der Bevölkerung hat Migrationshintergrund.

Im Stadtumbaukontext entwickelte sich 2007 der unternehmerisch geprägte Bürgerverein „Aufbruch am Arrenberg e.V.“, der im Forschungsprojekt „Wohlstands-Transformation Wuppertal“ (WTW) Praxispartner für das Reallabor Arrenberg ist. Der Verein ist im Stadtteil sehr aktiv und zählt rund 120 Mitglieder. Durch viele Aktionen im Quartier aus der Bürger*innenschaft heraus erfuhr der Arrenberg in den letzten Jahren eine kontinuierliche Aufwertung und die Einrichtung eines Stadtteilbüros, finanziert über das Jobcenter.

Durch eine 2014 durchgeführte Zukunftswerkstatt hat der Verein bereits das Leitbild „Klimaneutrales Arrenberg“ für seine Arbeit im Stadtteil entwickelt, welches in den Bereichen Energieversorgung, Ernährung und Mobilität seine Umsetzung finden soll.

Essbarer Arrenberg

Die Gruppe „Essbarer Arrenberg“ gestaltet Projekte rund um „Nachhaltige Ernährung“ und wird im Rahmen des Forschungsprojekts WTW in einem transdisziplinären Forschungsprozess begleitet.

Beim Stadtrundgang begeben wir uns auf die Spuren des „Essbaren Arrenbergs“. Es werden Orte aufgesucht, die für ein nachhaltiges Ernährungssystems von Interesse sind und geplante Projekte des „Essbaren Arrenbergs“ erläutert und ggf. erkundet. So stehen urbane und suburbane Produktionskonzepte zur Diskussion und es wird überlegt, wie und wo lokal organisierte und betriebene Landwirtschaft für den Arrenberg funktionieren kann.

Konkret hat sich eine Solidarische Landwirtschaft gebildet, die 2016 ihre ersten Erfahrungen im Anbau von Obst und Gemüse machen wird. Aber auch Potenziale urbaner Landwirtschaft nimmt der „Essbare Arrenberg“ ins Visier. Es wird geschaut, wo landwirtschaftliche Nutzflächen innerhalb des Klimaquartiers etabliert werden können.

2. Reallabor Quartier Mirke

Quartiersführung mit Matthias Wanner

Das Quartier Mirke in Wuppertal

Das Quartier ist ein Teil des administrativen Stadtteils „Nordstadt“ in Wuppertal-Elberfeld. Die dichte, meist gründerzeitliche Wohnbebauung ist zur Hälfte denkmalgeschützt (Stadt Wuppertal, 2014). Die Leerstandsquote von 7,5% übersteigt den ohnehin hohen Wert von 6,6% in der Gesamtstadt (Stadt Wuppertal, 2015). Das Quartier wird von 8100 Personen bewohnt, im Vergleich zur Gesamtstadt waren 2012 der Altersdurchschnitt niedriger (Jugendanteil von 15,5% vs. 13%), der Migrantinnenanteil höher (53,3% vs. 31,3%) und die Arbeitslosenquote ebenfalls höher (13,3% vs. 9,1%) (Stadt Wuppertal, 2014). Das Viertel ist gut an zentrale Infrastrukturen angebunden (BAB46, Innenstadt, Hauptbahnhof, Busse) und die kürzlich zum Fuß- und Radweg umgebaute Nordbahntrasse durchquert das Viertel im nördlichen Teil, was den Freizeitwert deutlich erhöht, post-fossile Mobilität attraktiver macht und die Anbindung an benachbarte Quartiere verbessert. Das Mirker Quartier ist ein klassisches Wohnquartier, Einzelhandel und Gastronomie finden sich vor allem entlang der Ausfallstraßen an den Quartiersgrenzen, Handwerksbetriebe und größere Industrieflächen im nördlichen Teil an der ehemaligen Bahntrasse. Mit einer Reihe von lokal, aber auch überregional bekannten Sozial- und Kultureinrichtungen besitzt das Mirker Quartier eine große Nähe zur Kultur- und Kreativwirtschaft.

Utopiastadt im Mirker Bahnhof

Bedeutsam für die Quartiersentwicklung ist insbesondere der vielfältige Akteur „Utopiastadt“ im ebenfalls denkmalgeschützten Mirker Bahnhof aus dem Jahr 1882. Die Unternehmung, die sich als „Kreatives Kluster“ und „Initialzündung eines andauernden Kultur- und Gesellschaftskongresses mit Ambitionen und Wirkung“ (Utopiastadt, o. J.) versteht, hat die Flächen im und um das Bahnhofsgebäude 2010/11 bezogen (ca. 6000qm) und sich zu einem Kraftzentrum für kulturelle, künstlerische, politische und sozial-ökologische Projekte entwickelt (MIWF, 2015; MBWSV, 2016). Über 100 Personen gestalten aktiv die Umgebung von Utopiastadt mit seiner Gastronomie, der FabLab-Werkstatt, den Co-Working-Plätzen, den Veranstaltungs- und Ausstellungsräumen, dem kostenfreien Radverleih, dem Gemeinschaftsgarten und weiteren kleineren Modulen. Utopiastadt arbeitet mit einer Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Initiativen, Unternehmen, der Stadt Wuppertal, der Wirtschaftsförderung, lokalen Stiftungen, der Stadtsparkasse und dem Land NRW zusammen.

Die Geschäftsführung von Utopiastadt sowie ein Vorsitzender des Utopiastadt Fördervereins e.V. sind die Praxispartner im Co-Forschungs-Format und Reallabor des Projekts „Wohlstands-Transfomation Wuppertal“.

Rundgang

Der Rundgang durch das Mirker Quartier führt ausgehend vom Karlsplatz/City an historischen Gebäuden verschiedener Epochen entlang zu einer Reihe von kulturellen und sozialen Einrichtungen. Von dort aus erreichen wir die Nordbahntrasse als neue Schlagader der postfossilen Mobilität in Wuppertal. Am wichtigsten Zugang zur Trasse von der Elberfelder City aus liegt der Bahnhof Mirke, den wir kurz besichtigen um uns danach abschließend den Entwicklungen auf dem ehemaligen Bahngelände rund um Utopiastadt zuzuwenden. Die knapp 60.000qm könnten ein wichtiger Ort für die Entwicklung der Quartiers-Identität werden, eine Einigung bzgl. des Ankaufs und der Gestaltung konnte bislang jedoch nicht erzielt werden.

3. Reallabor Oberbarmen und Wichlinghausen

Quartiersführung mit Annaliesa Hilger

Die Quartiere Oberbarmen und Wichlinghausen sind seit 2008 Teil des Städtebauförderungsprogramms Soziale Stadt; die zweite Förderperiode startete 2016. Der Stadtteil im Osten Wuppertals steht vor besonderen ökonomischen und sozialen Herausforderungen: Beispielsweise liegt der Anteil an Personen die SGB II Leistungen beziehen mit 24 Prozentpunkten weit über den gesamtstädtischen Durchschnitt. Zugleich sind in Oberbarmen und Wichlinghausen fast alle Nationen vertreten, wobei ca. sieben Ethnien eine je größere Community bilden. Insbesondere für europäische Zugewanderte fungieren die Quartiere als Ankunftsort.

Das Ortsbild ist geprägt durch typisch bergische Fachwerkhäuser, Gründerzeitbauten und Neubauten der Nachkriegszeit. Ein Teil des Wohnungsbestandes ist erneuerungs- und sanierungsbedürftig, worin sich u. a. eine überproportional hohe Leerstandsquote begründet. Bedingt durch die vorherrschende kleinräumige Eigentumsstruktur, begrenzter ökonomischer Mittel sowie geringen Vermietungsaussichten verfügen Eigentümerinnen und Eigentümer über wenig Möglichkeiten und Motivation, dem durch Leerstand drohenden Verfall von Gebäuden entgegenzuwirken. Trotz vielfältiger Bemühungen wie Informationsabende für EigentümerInnen, einer Studie zu Leerstand in Wuppertal oder einer Arbeitsgruppe Leerstand gab es bis dato keine konkreten Ansatzpunkte zur Reduktion des Leerstands.

Im BMBF-Forschungsprojekt „Wohlstands-Transformation Wuppertal“ ist das Büro für Quartierentwicklung Praxispartner für das Reallabor Oberbarmen und Wichlinghausen. Im Dialog mit dem Büro für Quartierentwicklung entstand die Idee für das Projekt „Haushüten“. Ziel des Projektes ist die niederschwellige Nutzung leerstehender Wohnungen und Häuser als Wohnraum im Sinne einer Zwischennutzung. Gemeinsam mit relevanten Schlüsselakteuren wird „Haushüten“ im Rahmen eines transdisziplinären Prozesses initiiert und reflexiv begleitet.

Beim Rundgang werden wir die sehr unterschiedlichen Facetten des Gebietes kennenlernen, Startpunkt bildet der Berliner Platz. Nach einen Blick auf die durch ein multikulturelles Flair geprägte Berliner Straße geht es weiter entlang einer wenig belebten Straße zum Neubaugebiet Bergisches Plateau. Über die Nordbahntrasse, einer stillgelegten Eisenbahntrasse, erreichen wir den traditionell geprägten Wichlinghauser Markt und die Wichlinghauser Straße, die ursprünglich einen wesentlichen Bezugspunkt der Nahversorgung darstellte.

Die Jahrestagung ist Teil der Reihe "Transformationsstadt".

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